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Sozialversicherungen

Sozialversicherungen bilden traditionell den Kern des deutschen Sozialstaats, sind in den vergangenen Jahren aber erheblich unter Druck geraten und gelten häufig als wenig zukunftsfähig. Diese Kritik tut ihnen Unrecht, weil sie die Versicherungen für die Folgen unangemessener oder unterlassener Reformen verantwortlich macht und gleichzeitig die großen Potenziale des Sozialversicherungsprinzips ignoriert.

Werden nun aber tatsächlich Reformen in Angriff genommen, die dem Ideal „gutes gleiches Recht für alle“ verpflichtet sind, so haben die sozialen Versicherungen sehr wohl Zukunft und können langfristig gute soziale Sicherung gewährleisten. Unsere KammerPosition "Sozialversicherungen: Stärken und modernisieren" (PDF) setzt sich mit entsprechenden Reformbedarfen auseinander.

Ein starker Sozialstaat ist notwendig, um grundlegende Risiken aufzufangen und unangemessene Ungleichheit zu verhindern. Er muss Sicherheit bieten – zum Beispiel im Alter, bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit –, Problemen vorbeugen, Teilhabe ermöglichen und Schutzregelungen durchsetzen. Soziale Absicherung wird in Deutschland vorwiegend durch Sozialversicherungen gewährleistet, durch Grundsicherungssysteme ergänzt und durch Maßnahmen in der Arbeitsmarkt-, Familien-, Bildungspolitik etc. flankiert. Stabilität und Akzeptanz sozialer Versicherungen werden maßgeblich dadurch gestärkt, dass sie an beitragspflichtige Einkommen anknüpfen und weitgehend unabhängig vom Staatshaushalt sind.

Seit einigen Jahrzehnten sehen sich die bewährten Sozialversicherungen allerdings grundsätzlichen Herausforderungen und Vorwürfen ausgesetzt: In Zeiten raschen demografischen Wandels und sich wandelnder Erwerbsstrukturen seien sie mit ihrer Umlagefinanzierung und Lohnbezogenheit angeblich hoffnungslos überholt und im Kern reformunfähig. Entsprechend häufig finden sich Forderungen nach radikalen sozialpolitischen Neuerungen, zum Beispiel nach einem "bedingungslosen Grundeinkommen". Allerdings werden Fragen der tatsächlichen Leistungsfähigkeit, Umsetzbarkeit und Zukunftsfähigkeit derartiger Konzepte kaum beleuchtet. Unberücksichtigt bleibt oft auch, dass bloße Basissicherung für die meisten Menschen eine erhebliche sozialpolitische Verschlechterung bedeuten würde.

Aus Sicht der Arbeitnehmerkammer sind grundlegende Reformen gerade durch konsequente Anpassungen in den bestehenden Sozialversicherungen umsetzbar und finanzierbar, und sie sind im Arbeitnehmerinteresse auch klar vorzuziehen. Eine echte Erneuerung des "Sozialversicherungsstaats" muss vier wesentliche Prinzipien berücksichtigen:

  • Leistungsfähigkeit: Statuserhalt und die volle Absicherung wesentlicher Risiken sind als Grundprinzipien wieder zu stärken. Bloße Basissicherung, die etwa im Alter oder bei Arbeitslosigkeit Aufstockung aus eigenen Mitteln oder gar Sozialhilfe erforderlich macht, ist unangemessen und wird auf Dauer keine Akzeptanz finden.
     
  • Stabilisierung und Schutz: Versicherten- und mögliche Empfängerkreise der bisher überwiegend auf Arbeitnehmer/innen bezogenen Versicherungen sollten nach dem Beispiel anderer Staaten ausgeweitet werden. Es gilt, dauerhaft und allgemein gute Leistungen aus akzeptierten und ausfinanzierten Systemen zu gewährleisten. Diese sind als gerechte Pflichtversicherungen auszugestalten - bloße "Wahlfreiheit" für einzelne Gruppen wäre kontraproduktiv (PDF).
     
  • Solidarität: "Starke Schultern" sollten stärker als bisher dazu herangezogen werden, Leistungen ohne Lohnbezug angemessen zu finanzieren. So wird beispielsweise das Gesundheits- und Pflegesystem gestärkt und die arbeitende Mitte entlastet.
     
  • Zukunftsorientierung: Der Ausgleich im Schadensfall muss Kernaufgabe der sozialen Versicherungen bleiben, er ist allerdings stärker durch vorbeugende Instrumente gegen Arbeitslosigkeit, Qualifikationsverlust, Erwerbsminderung etc. zu ergänzen.

Reformierte Sozialversicherungen sind zwar der zentrale Baustein für ein dauerhaft effektives soziales Sicherungsversprechen, benötigen aber auch eine stabile Grundlage und Ergänzung. Fundament auch zukünftig starker Sozialstaatlichkeit ist letztlich "gute Arbeit" in der Breite, also eine insgesamt wieder bessere Primärverteilung mit hoher gesellschaftlicher Lohnquote. Um dies zu erreichen, muss zum einen die Tarifbindung erheblich gestärkt werden, und zum anderen ist atypische Beschäftigung (Leiharbeit, ungewollte Teilzeit, Minijobs etc.) systematisch einzudämmen. Um den reformierten "Sozialversicherungsstaat" als daran anschließendes Instrument der Sekundärverteilung zu flankieren, müssen steuerpolitische Maßnahmen für eine Rückverlagerung der relativen "Steuerlast" auf die tatsächlich starken Schultern sorgen, also etwa durch eine wieder stärker progressive Einkommensbesteuerung und durch eine angemessene Erbschaftsteuer. Daneben gilt es, unter Wahrung des Vertrauensschutzes Fehlanreize gegen angemessen entlohnte Arbeit abzubauen. Schließlich sollten die bestehenden Grundsicherungssysteme teilhabesichernde Regelleistungen vorsehen und Lebensleistungen angemessener würdigen. Sie müssen darüber hinaus zugänglicher und durch den Abbau stigmatisierender Elemente auch tatsächlich "fürsorgend" ausgestaltet sein

Insgesamt entsteht damit wieder ein Gesamtsystem der öffentlichen Sicherung und Unterstützung, das gerade auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gute Arbeit, gute soziale Sicherung und gute Lebensbedingungen bietet und sie nicht mit lückenhaften Instrumenten oder gar einem pauschalen Grundeinkommen auf niedrigem Niveau alleinlässt. Ein wieder starker Sozialstaat ist möglich, und er kann und muss auf starken Sozialversicherungen aufbauen.

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KontaktAKB003_Icon-Kontakt

Dr. Magnus Brosig
Referent für Sozialversicherungs- und Steuerpolitik

Am Wall 195
28195 Bremen

Tel.: 0421/36301-971
Fax: 0421/36301-995

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